SWAMP RHAPSODY

Komposition in vier Klangstationen
Expo 2025 Osaka, deutscher Pavillion

Unsere Soundinstallation für den deutschen Pavillon auf der Expo 2025 in Osaka, Japan führt die Besucher*innen klanglich tief hinein ins Moor. Sie macht an vier speziell entwickelten Klangstationen hörbar, wie der Mensch auf diesen für das Klima wichtigen Lebensraum einwirkt und umgekehrt.
Obwohl Moore nur 2-3 % der Erdoberfläche einnehmen, speichern sie etwa die Hälfte des weltweiten Kohlenstoffs und sind ein wesentlicher Klimafaktor.

Inspiriert von Karlheinz Stockhausens Arbeit im deutschen Pavillion der Expo 1970 in Osaka und seiner bahnbrechenden Idee des mehrdimensionalen Kugelauditoriums, zeigt die Grafik die Gesamtpartitur der vierteiligen Komposition „Swamp Rhapsody“. Mikrofonaufnahmen aus unterschiedlichen Tiefen im Moorkörper dienen als Klangquelle, um kompositorisch mit jeweils erhobenen Biodaten verbunden zu werden.

Kompositionszyklus

Schauplatz der Komposition ist die Diepholzer Moorniederung, eines der größten Hochmoore in Deutschland, in dem bis 2024 noch Torf vornehmlich für die Gartenbauindustrie abgebaut wurde. Heute steht es größtenteils unter Naturschutz und wird renaturiert, um die natürlichen Moorlandschaften wieder zu beleben.

Die Komposition ist in vier Phasen eingeteilt:  Entwicklung – Manipulation – Adaption – Integration

Die zeitliche Struktur dieser Phasen verhält sich zueinander nach dem Prinzip der in der Natur häufig auftretenden Fibonacci-Reihe. Diese Zahlenfolge bestimmt etwa das Wachstum und die Struktur von Blättern oder Schneckenhäusern. In der Malerei bildet sie den goldenen Schnitt und in der Neuen Musik wurde sie u.a. von Karlheinz Stockhausen bei den Klavierstücken als rhythmische Proportionsgrundlage verwendet.

An jeder Station wird ein 377 Sekunden (6:17 min) langer Loop abgespielt. Die vier Phasen jeder Station beginnen versetzt, und zeigen die Prozesshaftigkeit und Zirkularität. Alle Phasen finden somit gleichzeitig statt.

Entwicklungsphase (I)

Hier erklingen die Originalklänge, die an unterschiedlichen Stellen des Moores aufgenommen wurden.

Laut Ökosystemtheorie gibt es keine feststehenden natürlichen Zustände, sondern nur symbiotische Kreisläufe. Daher bezeichnen wir die Phase des unbearbeiteten Originalklanges auch Entwicklungsphase.

Manipulationsphase (II)

Die jeweiligen Sensorwerte steuern zentrale Parameter verschiedener Effekte, wie Delayzeiten oder Resonator-Frequenzen und manipulieren somit die Originalaufnahmen.

Adaptionsphase (III)

Die Sensordaten triggern einzelne Sampler, welche aus den jeweiligen Originalklängen erstellt wurden und steuern Klangeffekte. Die Transkription der Entwicklungsphase erzeugt Tonhöhen-, Rhythmusdifferenzen sowie Artefakte der Sampler.

Integrationsphase (IV)

Alles verbindet sich mit allem. Aus der Transkription der Entwicklungsphase werden einzelne Loops isoliert. Es entsteht eine Symbiose aus unbearbeiteten Klängen, Datensteuerung und musikalischen Aktionen.

Station 1: GSR

Klang und Daten stammen aus der sogenannten „heilen Haut“, einem naturbelassenen Teil des Moores. Gemessen wird die durch Photosynthese und andere biologischen Prozesse schwankende Oberflächenspannung der Pflanzen (galvanic scin response, GSR) in Mikrosiemens (µS).

Die GSR-Werte stammen von Seggen, einer typischen Moor-Pflanze, welche rund um die Messstelle wächst.

Mikrofonaufnahmen: „heile Haut“, Diepholzer Moorniederung, 23.10.22

Tiefe: 3,4 m

Die Entstehungszeit des Moores in dieser Tiefe liegt bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 1mm bei ca. 3500 Jahren. Wir befinden uns sozusagen im Jahr 1475 v. Chr., also etwa der Zeit des ägyptischen Pharaos Thutmosis III.

Station 2: CO2

Klang und Daten stammen aus einem durch den jahrzehntelangen Torfabbau gebildeten Randgraben. Gemessen wird das Kohlendioxid (CO2) in der Luft in ppm (parts per million).

Der normale CO2-Wert liegt heute im Freien weltweit bei ca 430 ppm. Vor der Industrialisierung lag dieser Wert bei ca. 270 ppm. Man erkennt an unserer Messung die sehr hohe Emission von CO2 direkt am Torfabbaugraben mit Werten von über 1000 ppm.

Mikrofonaufnahmen: Diepholzer Moorniederung, 22.10.22

Tiefe: 1,5 m

Station 3: Bodenfeuchtigkeit

Klang und Daten stammen aus einem Randgraben im langsam wiedervernässten Bereich der Diepholzer Moorniederung. Hier kann sich Torfmoos (Sphagnum) wieder leichter ansiedeln und das Moor kehrt langsam zu seinem ursprünglichen Zustand zurück. Bei zu schneller Wiedervernässung entsteht durch die organischen Zersetzungsprozesse sehr viel Methan (CH4), einem 23-mal stärker wirksamen Klimagas als CO2.

Da der Bodenfeuchtigkeitwert sich nur einmal innerhalb der komponierten Messzeit ändert, sind die Klang-Manipulationen relativ statisch, was sich in einem gleichmäßigen schlagenden Puls-Sample äußert. Die Dramaturgie läuft auf den Augenblick der Wertänderung hin und verdichtet sich bei Sekunde 118.

Mikrofonaufnahmen: Diepholzer Moorniederung, Randgraben, 21.10.22


Tiefe: 1,5 m

Station 4: Methan (CH4)

Klang und Daten stammen ebenso wie Station 3 aus einem Randgraben im langsam wiedervernässten Bereich der Diepholzer Moorniederung.

Methan entsteht durch die organischen Zersetzungsprozesse im Boden. Jeder kennt den fauligen Geruch. Methan wird ebenso wie CO2 in ppm (parts per million) gemessen, ist aber ein 23-mal stärker wirksames Klimagas als CO2

Der CH4 Wert springt häufig hin und her mit kleinen Änderungen, was schöne Klangeffekte erzeugt.

Die Original-Aufnahmen erklingen hier vorwärts und zusätzlich rückwärts. Ein Kreis beginnt sich zu schließen. Die gesamte Komposition endet und beginnt gleichsam wieder von vorne: ein dauerhafter Prozess.

Mikrofonaufnahmen: Diepholzer Moorniederung, Randgraben, 21.10.22

Tiefe: 1,5 m

Kurt Holzkämper: Klangkomposition, Konzeption
Phillip Staffa: Graphische Notationen
Prof. Dr. Hubert Wiggering: Wissenschaft

SWAMP RHAPSODY

Composition in four sound stations: Expo 2025 Osaka, German Pavillion

Our sound installation at Expo 2025 in Osaka, Japan, takes visitors deep into the bog through sound. Four specially designed sound stations make it audible how humans impact this climate-critical habitat and vice versa. Although bogs only cover 2-3% of the Earth's surface, they store about half of the world's carbon and are a significant climate factor.

Inspired by Karlheinz Stockhausen's work for the German pavillion at Expo 1970 in Osaka and his groundbreaking idea of ​​the multidimensional spherical auditorium, the graphic shows the complete score of the four-part composition "Swamp Rhapsody." Microphone recordings from different depths in the bog serve as a sound source, which is then combined compositionally with the biodata collected at each location.

Composition Cycle

The setting for the composition is the Diepholz Moor lowlands, one of the largest raised bogs in Germany, where peat was extracted primarily for the horticultural industry until 2024. Today, most of it is protected and is being renaturalized to revitalize the natural moor landscapes.

The composition is divided into four phases: Development – ​​Manipulation – Adaptation – Integration

The temporal structure of these phases relates to the principle of the Fibonacci sequence, which frequently occurs in nature. This sequence of numbers determines, for example, the growth and structure of leaves or snail shells. In painting, it forms the golden ratio, and in new music, it has been used by Karlheinz Stockhausen, among others, in his piano pieces as a basis for rhythmic proportions.

A 377-second (6:17 min) loop is played at each station. The four phases of each station begin staggered, demonstrating the processual nature and circularity. All phases thus occur simultaneously.

Development Phase (I)

Here, the original sounds, recorded at different locations in the moor, are heard.

According to ecosystem theory, there are no fixed natural states, only symbiotic cycles. Therefore, we also refer to the phase of the unprocessed original sound as the development phase.

Manipulation Phase (II)

The respective sensor values ​​control key parameters of various effects, such as delay times or resonator frequencies, and thus manipulate the original recordings.

Adaptation Phase (III)

The sensor data triggers individual samplers created from the respective original sounds and controls sound effects. The transcription of the development phase generates pitch and rhythm differences, as well as sampler artifacts.

Integration Phase (IV)

Everything connects with everything else. Individual loops are isolated from the transcription of the development phase. A symbiosis of unprocessed sounds, data control, and musical actions emerges.

Station 1: GSR

Sound and data come from the so-called "healing skin," a natural part of the bog. The surface tension of the plants (galvanic scin response, GSR), which fluctuates due to photosynthesis and other biological processes, is measured in microsiemens (µS).

The GSR values ​​come from sedges, a typical bog plant that grows around the measuring point.

Microphone recordings: "healing skin," Diepholz bog lowland, October 23, 2022

Depth: 3.4 m

The bog was formed at this depth, with an average annual growth of 1 mm, approximately 3,500 years ago. We are, so to speak, in the year 1475 BC, roughly the time of the Egyptian pharaoh Thutmosis III.

Station 2: CO2

Sound and data come from a marginal ditch formed by decades of peat extraction. Carbon dioxide (CO2) in the air is measured in ppm (parts per million).

The normal CO2 level outdoors worldwide today is around 430 ppm. Before industrialization, this value was around 270 ppm. Our measurements show the very high CO2 emissions directly at the peat extraction ditch, with values ​​of over 1000 ppm.

Microphone recordings: Diepholz Moor Lowland, October 22, 2022

Depth: 1.5 m

Station 3: Soil Moisture

The sound and data come from a marginal ditch in the slowly rewetted area of ​​the Diepholz Moor Lowland. Here, peat moss (Sphagnum) can more easily establish itself again, and the moor slowly returns to its original state. If rewetting occurs too quickly, organic decomposition processes produce a great deal of methane (CH4), a greenhouse gas 23 times more potent than CO2.

Since the soil moisture value changes only once within the composed measurement time, the sound manipulations are relatively static, resulting in a steady, beating pulse sample. The dramaturgy builds up to the moment of the value change and condenses at second 118.

Microphone recordings: Diepholz Moor Lowland, edge ditch, October 21, 2022

Depth: 1.5 m

Station 4: Methane (CH4)

Like Station 3, the sound and data come from a edge ditch in the slowly rewetting area of ​​the Diepholz Moor Lowland.

Methane is produced by organic decomposition processes in the soil. Everyone knows the putrid smell. Like CO2, methane is measured in ppm (parts per million), but is 23 times more potent as a greenhouse gas than CO2.

The CH4 value frequently jumps back and forth with small changes, creating beautiful sound effects.

The original recordings are played forward and backward. A circle begins to close. The entire composition ends and begins again, as it were, from the beginning: an ongoing process.

Microphone recordings: Diepholz Moorniederung, Randgraben, October 21, 2022

Depth: 1.5 m

Kurt Holzkämper: Sound composition, conception
Phillip Staffa: Graphic notation
Prof. Dr. Hubert Wiggering: Science

German Expo Pavilion / Hotaka Matsumara

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Ein:Fluss:Raum:Moor